Januar 14, 2018Keine Kommentare

My Next Guest Needs No Introduction

Das war eine Sternstunde. Eine Sternstunde dessen, was man politische Unterhaltung nennen könnte, wenn es nicht so sehr viel mehr wäre, was David Letterman und Barack Obama da auf einer Bühne in New York geboten haben.

Begnadete Entertainer

David Letterman, seit zwei Jahren im Ruhestand- Barack Obama seit einem Jahr. Aber nein, das ist kein Gespräch abgeklärter alter Männer, die nun alles besser wissen. Sie wissen nichts besser. Sie stellen Fragen zu dem, was unsere Existenz im Heute, Hier und Jetzt ausmacht. Die Ironie und der Witz, mit dem sie sich und die Rolle des Glücks in ihren jeweiligen Leben aufzeigen, ist beispielhaft.

Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal in einer politischen Talksendung gelacht habe. Die sind in der Regel eher zum Weinen. Aber die beiden begnadeten Entertainer haben sich die Bälle zugeworfen, souverän den Ton gewechselt zwischen ernsthaft tiefgründiger Analyse und frotzelnd freundschaftlichem Ton.

„Von Jemandem, der eine halbe Stunde braucht, um eine einfache Schreibtischlampe zusammenzubauen, lasse ich mir nicht erklären, was ein Smartphone ist.“

„Wer stellt hier eigentlich die Fragen?“

Die Souveränität, mit der sie zu Werke gehen und ein Feuerwerk an Ideen und Gedanken abfeuern, lässt aus dieser knapp einstündigen Unterhaltung ein wahres Meisterstück entstehen. Dreimal habe ich es mir in den letzten 48 Stunden angesehen, und ich habe noch immer nicht alles entdeckt.

Bildung des Herzens

Da werden eine solche Vielzahl von Themen berührt: politische Verantwortung, Rassendiskriminierung, wachsende Ungleichheit, Macht der sozialen Medien, die Folgen der Digitalisierung, die verheerende Wirkung der Dummheit und des Hasses.

Staunend nimmt man zur Kenntnis, wie sehr das alles mit einander zu tun hat und vor allem, wie leicht es ist, das zu erklären.

Aber worum es in diesem Gespräch eigentlich geht, ist die Bildung des Herzens. Das wird nicht nur daran deutlich, wie Obama die Arbeit seiner Stiftung beschreibt, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, den Menschen zu helfen, sich als Teil einer Gemeinschaft zu begreifen und dementsprechend Verantwortung zu übernehmen. Es ist vor allem die Art, wie beide über ihre Familien sprechen, ihre Kinder. Das geschieht mit Selbstironie und in liebevollem Respekt, der jedem, der seine Familie liebt, vertraut sein sollte. Die Worte, mit denen Obama das Verhältnis zu seiner Frau Michelle beschreibt, offenbaren eine solche Diskrepanz zum Frauenbild des derzeit amtierenden Präsidenten, wie sie größer kaum sein könnte.

Der amerikanische Traum

Apropos Trump, der übrigens während des gesamten Gesprächs nicht ein einziges Mal erwähnt wird, sondern nur als dunkler Geist anwesend ist. Er wird zweimal gegenwärtig. Einmal als Letterman zu Folgendes Obama sagt, was vom Publikum mit verzweifeltem Lachen quittiert wird:

„Was bin ich froh, dass Sie noch immer unser Präsident sind.“

Bei Obama gibt es nur ein Zitat des 2003 verstorbenen Senators Moynihan, der in einer politischen Auseinandersetzung zu seinem Gegenüber gesagt hat:

„Sie haben ein Recht auf Ihre eigene Meinung, aber sie haben kein Recht auf ihre eigenen Fakten.“

Zum Schluss wird es dann doch ein ganz klein bisschen pathetisch, als Letterman sinngemäß sagt, dass man als Amerikaner selbstverständlich das Amt des Präsidenten respektiert, aber dass Obama der Präsident ist, den er auch als Person unabhängig vom Amt respektieren kann.

Wenn der amerikanische Traum so aussieht, wie ihn David Letterman und Barack Obama hier formulieren, liebe ich Amerika. Dieser Abend war der Auftakt einer sechsteiligen Serie auf Netflix, in der David Letterman Persönlichkeiten seiner Wahl interviewt.

August 13, 2017Keine Kommentare

Willkommen zum Ende des Zeitalters der Vernunft

Woher auch immer das Gerücht stammt, die fünfte Staffel von “House of Cards“ wäre schwächer als die vorhergehenden: Es stimmt nicht. Die Voraussetzungen für die Veröffentlichung waren denkbar schwierig.

In den ersten vier Staffeln hatten die Underwoods bereits alles an Intrigen, Gemeinheiten und Verbrechen begangen, was denkbar schien. Kein Verrat, der das Vorangegangene noch auf die Spitze treibe könnte. Was könnte den Zuschauer da noch überraschen?

Der derzeit tatsächlich amtierende Präsident der USA erlaubt einfach keine infame Dummheit, keine widerliche Allianz, keine personelle Entgleisung, die sich durch ein Drehbuch einholen oder gar übertreiben ließe.

Und dann ist da noch etwas Grundsätzliches, das alle Dramen betrifft - wenn es auf den Höhepunkt zustrebt, kann man den Zuschauer nicht mehr wirklich überraschen, ohne Brüche in der Logik der Handlung zuzulassen.

Natürlich wissen wir seit der Prophezeiung der Hexen über den Wald von Birnam, wie Macbeth enden wird. Seien wir doch ehrlich, spätestens nach Hamlets Monolog ist uns klar, dass am Ende auf der Bühne nur Leichen liegen werden. Aber nimmt das etwas von der Tragweite dessen, was geschieht? Wir folgen mit angehaltenem Atem der Vollendung des Schicksals. Niemand kann gerettet werden. Das muss so sein. Demzufolge kann man auch keine Handlungsdetails der Staffel spoilern, weil nur passiert, was passieren muss.

Was an dieser Serie wirklich beeindruckend ist, ist das Zusammenspiel von Drehbuchautoren, die so nahe an der Wirklichkeit sind, das sie uns des öfteren eine Gänsehaut verursachen. Der Schrecken hat sehr reale Bezüge. Sie wird von Schauspielern getragen, von denen man nur die beiden Hauptakteure nennen muss, um anzudeuten, in welcher Liga hier gespielt wird: Kevin Spacey und Robin Wright. Künftig wird es allerdings schwer, die beiden in anderen Rollen zu sehen, mit den Underwoods im Kopf.

Dann gibt es auch noch Regisseure, die jeder Episode ein Gesicht geben. Beispielhaft seien hier nur die beiden Folgen genannt, für die Agnieszka Holland die Regie übernommen hat. Szenen von unglaublicher Intensität, Blickwechsel, die manchmal mehr erzählen als die Dialoge. Auf jeden Fall Serienkost vom Feinsten.

Nachdem der Vorhang gefallen war, hatte ich das dringende Bedürfnis, die letzte Leonard- Cohen- Platte zu hören: “I am ready, my Lord.“