Das war eine Sternstunde. Eine Sternstunde dessen, was man politische Unterhaltung nennen könnte, wenn es nicht so sehr viel mehr wäre, was David Letterman und Barack Obama da auf einer Bühne in New York geboten haben.
Begnadete Entertainer
David Letterman, seit zwei Jahren im Ruhestand- Barack Obama seit einem Jahr. Aber nein, das ist kein Gespräch abgeklärter alter Männer, die nun alles besser wissen. Sie wissen nichts besser. Sie stellen Fragen zu dem, was unsere Existenz im Heute, Hier und Jetzt ausmacht. Die Ironie und der Witz, mit dem sie sich und die Rolle des Glücks in ihren jeweiligen Leben aufzeigen, ist beispielhaft.
Ich weiß nicht, wann ich das letzte Mal in einer politischen Talksendung gelacht habe. Die sind in der Regel eher zum Weinen. Aber die beiden begnadeten Entertainer haben sich die Bälle zugeworfen, souverän den Ton gewechselt zwischen ernsthaft tiefgründiger Analyse und frotzelnd freundschaftlichem Ton.
„Von Jemandem, der eine halbe Stunde braucht, um eine einfache Schreibtischlampe zusammenzubauen, lasse ich mir nicht erklären, was ein Smartphone ist.“
„Wer stellt hier eigentlich die Fragen?“
Die Souveränität, mit der sie zu Werke gehen und ein Feuerwerk an Ideen und Gedanken abfeuern, lässt aus dieser knapp einstündigen Unterhaltung ein wahres Meisterstück entstehen. Dreimal habe ich es mir in den letzten 48 Stunden angesehen, und ich habe noch immer nicht alles entdeckt.
Bildung des Herzens
Da werden eine solche Vielzahl von Themen berührt: politische Verantwortung, Rassendiskriminierung, wachsende Ungleichheit, Macht der sozialen Medien, die Folgen der Digitalisierung, die verheerende Wirkung der Dummheit und des Hasses.
Staunend nimmt man zur Kenntnis, wie sehr das alles mit einander zu tun hat und vor allem, wie leicht es ist, das zu erklären.
Aber worum es in diesem Gespräch eigentlich geht, ist die Bildung des Herzens. Das wird nicht nur daran deutlich, wie Obama die Arbeit seiner Stiftung beschreibt, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, den Menschen zu helfen, sich als Teil einer Gemeinschaft zu begreifen und dementsprechend Verantwortung zu übernehmen. Es ist vor allem die Art, wie beide über ihre Familien sprechen, ihre Kinder. Das geschieht mit Selbstironie und in liebevollem Respekt, der jedem, der seine Familie liebt, vertraut sein sollte. Die Worte, mit denen Obama das Verhältnis zu seiner Frau Michelle beschreibt, offenbaren eine solche Diskrepanz zum Frauenbild des derzeit amtierenden Präsidenten, wie sie größer kaum sein könnte.
Der amerikanische Traum
Apropos Trump, der übrigens während des gesamten Gesprächs nicht ein einziges Mal erwähnt wird, sondern nur als dunkler Geist anwesend ist. Er wird zweimal gegenwärtig. Einmal als Letterman zu Folgendes Obama sagt, was vom Publikum mit verzweifeltem Lachen quittiert wird:
„Was bin ich froh, dass Sie noch immer unser Präsident sind.“
Bei Obama gibt es nur ein Zitat des 2003 verstorbenen Senators Moynihan, der in einer politischen Auseinandersetzung zu seinem Gegenüber gesagt hat:
„Sie haben ein Recht auf Ihre eigene Meinung, aber sie haben kein Recht auf ihre eigenen Fakten.“
Zum Schluss wird es dann doch ein ganz klein bisschen pathetisch, als Letterman sinngemäß sagt, dass man als Amerikaner selbstverständlich das Amt des Präsidenten respektiert, aber dass Obama der Präsident ist, den er auch als Person unabhängig vom Amt respektieren kann.
Wenn der amerikanische Traum so aussieht, wie ihn David Letterman und Barack Obama hier formulieren, liebe ich Amerika. Dieser Abend war der Auftakt einer sechsteiligen Serie auf Netflix, in der David Letterman Persönlichkeiten seiner Wahl interviewt.
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