Italienisch - schweizerisches Kino- Kleinod voller poetischer Schönheit.

Das Fernsehen, normalerweise stetig zunehmender Quell ästhetischen und intellektuellen Missvergnügens, bietet manchmal völlig überraschend Schätze, die man sonst übersehen hätte.

Schauplatz für solche Überraschungen sind natürlich nicht die Mainstream- Kanäle, die man- und da ist es fast gleichgültig ob privat oder öffentlich rechtlich- eigentlich nur noch in Ausnahmefällen bemühen mag. Deutschland, Österreich und die Schweiz sind in der glücklichen Lage, noch Sender wie 3 Sat, ARTE, ZDFneo, One, etc. zu haben. Fast paradiesische Zustände. Wer je versucht hat z.B. In Italien oder den USA den Fernseher einzuschalten, weiß wovon ich rede.

 

Weshalb ich das erzähle?

Erschöpft vom quichottigen Kampf um das Wahre, Gute und Schöne, sank ich dieser Tage in den Filmsessel, in der Hoffnung, dass einer der oben erwähnten Sender in der Lage wäre, mich geistig und/oder emotional zu erquicken, ohne einen Streamingdienst bemühen zu müssen.

Siehe da, ARTE hatte nicht nur etwas Passendes, sondern sogar einen Film, dessen poetische Schönheit und Wahrhaftigkeit mit zum Besten gehört, was ich in letzter Zeit gesehen habe. Die Schönheit, die in dieser kleinen, unaufwändigen italienisch/schweizerischen Koproduktion aufblitzt, ist so nah am wirklichen Leben und ohne jeden Kitsch erzählt, dass man den Erfinder des deutschen Verleihtitels fragen müsste, ob er an dem Tag, als er ihm eingefallen ist, nicht doch zu viele bewusstseinserweiternde Substanzen konsumiert hat. Der Titel hat zum Film nur einen peripheren Bezug.

 

Originaltitel: 7 giorni. Reicht vollkommen.

Die Story: Levanzo, eine kleine Insel vor Sizilien . Der Bruder des Bräutigams und die beste Freundin der Braut sollen die in einer Woche stattfindende Hochzeit vorbereiten. Die Voraussetzungen sind seltsam bizarr. Der Ort, der zwar aussieht wie das Paradies auf Erden, ist heruntergekommen. Hier wohnen nur noch ein paar wenige Alte- wovon ist unklar. Wer konnte, ist weggegangen. Keine Schule mehr. Nur noch die Kirche und der Friedhof sind in Betrieb. Touristen kommen auch schon seit Jahren nicht mehr. Die Armut scheint durch jede Ritze. Alle Zimmer in der einzigen Pension sind verranzt. Der Leuchtturm, wo die Hochzeitsnacht stattfinden soll, ist eine vollgerümpelte Ruine. Und die beiden Hochzeitsvorbereiter tragen auch allerhand Blessuren mit sich herum.

Ihre virulente Einsamkeit lässt sie einander in die Arme fallen. Beide wissen, dass es kein Danach geben kann. Beide sind in andere Leben verstrickt.

 

Nur diese 7 Tage.

Aber das ist nur ein Zweig der Geschichte, in der es um die Liebe an sich geht. Der zwischen Mann und Frau, zwischen Geschwistern, Freunden, Eltern und Kindern. Alles wirkt so subtil und echt, das man zwischendurch meint, einer Dokumentarkamera zu folgen.

Die meisten Rollen, bis auf ein paar Hauptdarsteller wie Alessia Barela und der wunderbare Bruno Todeschini, werden von den Inselbewohnern gespielt.

Eine kleine Szene: Ivan, der Bruder des Bräutigams, bezahlt die Alten für einige Dinge. Kaum hat der alte Mann das Geld in der Hand, kommt seine Frau und entreißt es ihm mit den Worten „Du kaufst womöglich noch Zigaretten davon.“ Man hält sie für eine keifende Alte. Einige Szenen später kommt der alte Mann tatsächlich zu einer Zigarette und erstickt fast daran. Die Frau ist mit einer Sauerstoffmaske zur Stelle und ergreift seine Hand. Eine Geste so voller Zärtlichkeit, dass man sinnfälliger Liebe kaum zeigen kann. Von solchen Szenen gibt es Dutzende im Film, ohne das sie aufdringlich wirkten.

Obwohl es wirklich eine einfache Geschichte ist, die uns erzählt wird, die zu dem stillen Leben dort passt, gibt es so viel zu sehen und zu hören in dem Film. Das leuchtend blaue Meer. Die Musik.

Ach – und der Schluss: Was wäre, wenn Orpheus sich nicht umgedreht hätte?


© Bild: ARTE