In Swanns Welt – gelesen von Peter Matic

„Wozu noch den Schatten dieser Bäume aufsuchen, wenn nichts mehr ist von dem, was früher sich traf unter dem zart sich rötenden Laub, wenn Gewöhnlichkeit und Wahn die Stelle jenes erlesenen Lebens eingenommen haben, das sie einstmals umrahmten.“

Marcel Proust „In Swanns Welt“

Dieses Buch sollte man vermeiden zu lesen, wenn man entweder einen Mangel an Zeit und/ oder einen an Geduld hat. Das Gesamtwerk umfasst in der jüngsten Ausgabe des Suhrkamp Verlages 5200 Seiten- 7 Bücher in 3 Bänden. Keine spannenden, der Aufklärung harrenden Verwicklungen oder gar Verbrechen. Dafür erwartet den Leser ein großer Schatz an Erkenntnis über die Geheimnisse des Lebens, des Liebens und ein Vergnügen des Denkens an sich. Vor allem aber ist da die Schönheit der Sprache, die Jeden, der hin und wieder versucht, selbst Sätze zu bilden, vor Bewunderung erschauern lässt.

Ein alter Mann erinnert sich an das mondäne Leben im Ausgang des 19. und am Beginn des 20. Jahrhunderts. Es sind die Lieben, denen er wiederbegegnet- sowohl der eigenen, wie auch der Anderer. Im ersten Band ist es die des jungen intellektuellen Lebemanns Swann. Er ist einer Frau verfallen, die scheinbar nur mit ihm und seinen Gefühlen spielt. Sie entfernt sich. Er versucht sich auch zu lösen, und doch sehen wir sie später als Paar. Das Mysterium der Liebe.

In meiner Bibliothek hat dieser Roman bisher das Schicksal von Musils „Mann ohne Eigenschaften“ oder Joyce „Ulysses“ geteilt. Später, wenn ich Zeit habe. Wann auch immer das sein wird.

Darum kann man nur dankbar sein für die Lesung von Peter Matic, die nicht bloß eine Lesung ist. Es ist wohl eher, so wie das auch mit Gert Westphals Lesungen der Werke Thomas Manns ist, eine eigene Interpretation. Matic breitet die Gedanken und Sprachwelt Prousts vor einem aus, legt Fährten und erleichtert so den Zugang.

Auf Reisen Proust zu hören, lässt einen sogar manche Verspätung vergessen. Man ist in einer eigenen Welt. Im Unterschied zu unserem heutigen Leben hat man sich in dieser Welt Zeit gelassen für die Wahrnehmung und die Tiefe von Empfindungen. Wenn Proust das Werk „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ nennt, was sollten wir rückblickend sagen zu unserem streng getakteten und für Muße keinen Raum lassenden Leben? Vielleicht ist ja die im Stau, in der Schlange beim ‚Check In‘, im ICE zugebrachte Zeit der moderne Raum für die Reflexion? Auf jeden Fall hat man genügend Gelegenheiten, Proust zu hören.

Und nun, nach dem ersten Band? Jetzt bin ich gespannt, wie es weitergeht.